Das Ensemble (Luise Aschenbrenner, Eva Hüster, Moritz Kienemann, Torsten Ranft, Lukas Rüppel, Fanny Staffa, Nadja Stübiger, Yassin Trabelsi und Viktor Tremmel) ist phänomenal und geht an die Grenzen des Machbaren. Hartmann liefert mit seiner Dostojewski Bearbeitung einen 165minütigen Bilderrausch, der die Aufgeregtheit eines nervösen Zeitalters emotional erfahrbar macht. Ein beeindruckender Theaterabend, der einen verwirrt zurücklässt und zum Nachdenken anregt.
Diese Schilderung ist derart leicht und luftig und dennoch so eindringlich, dass man das Gefühl hat, jetzt wird er sich gleich erheben und tatsächlich davonfliegen, und dem kleinen Vogel zuzwinkern, der ihn durch die Luft begleitet. Manches wirkt noch etwas ungeschliffen und fahrig, nicht jeder Übergang zwischen Musikstück und Schauspiel-Text sitzt. Vieles scheint im spielerischen Proben-Rausch spontan erfunden und zu einer Revue zusammengepuzzelt. So dürfen Monika Freinberger und Lola Fuchs als Glamour-Girls durch den Abend zicken.
Jungennamen Mit A
Während Minna ihren Tellheim durch die selbstgesponnene Intrige in einen immer größer werdenden Strudel aus Verzweiflung und Emotionen stürzt, um am Ende die Wahrhaftigkeit ihrer Liebe wiederzufinden, durchleben Franziska und Paul Werner die gegenläufige Entwicklung eines Paares. Hier entlarven sich die Oberflächlichkeiten und Abgründe der menschlichen Seele. Franziska folgt, nach Glanz und gesellschaftlichen Aufstieg strebend, dem Söldner Paul Werner in den Krieg. Stechend trifft, wenn er seine letzten Worte „nach Persien“ in moderner Bundeswehruniform spricht. Dennis Matthey und Philipp Sommer zeichnen ihre Figuren mit hoher Intensität und Ausstrahlungskraft. Hannah Hamburgers Bühne führt die Szenerie von einem beengten Wirtshaus Ende des 18.
Ihre Revolutionärs-Gattinnen Lucie und Camile erinnern eher an Spielerfrauen von Fußball-Promis als an Büchners Charaktere. Punkrock, um genau zu sein, oder doch besser eine schöne Bluesnummer? Was, die Angebetete versteht “Ich liebe dich wie mein Grab” nicht als Kompliment? Moment, schnell die Gitarre hervorgeholt, einen Song geschrieben und schon sagt sich alles viel besser. Und selbst wenn die Angesprochene noch immer schmollt – dann haben wir immerhin einen coolen Song gehört. Und schreit “French Revolution 1989” nicht gerade nach einem Rap oder einem schmissigen Gitarren-Riff?
Der feine Humor, der genaue Blick auf Alltagssituationen und das präzise Timing der Pointen erinnern an Christoph Marthaler, der in jenem Jahr mit zwei Inszenierungen zum Theatertreffen eingeladen warfare und stilprägend wirkte. Kurz vor der Uraufführung von „rauschen“ gab es an diesem Wochenende die seltene Gelegenheit, ein Frühwerk der Choreographin Sasha Waltz zu erleben. „Allee der Kosmonauten“ feierte an diesem Wochenende die one hundred fifty.
Goldi Und Der Luftballon
Das Ensemble strotzt vor Spielfreude um nach langen Monaten der Corona-Pandemie mal wieder „auf den Brettern, die die Welt bedeuten“ Gas zu geben. Fridjof Bundel am Keyboard hat das musikalische Zepter fest in der Hand und seine Arrangements unterstützen den Gesang beeindruckend. Voraussetzungen dazu sind hohe sprachliche und darstellerische Qualität auf der Bühne und die physische Nähe zum Publikum.
- Dumm gelaufen, wie gewonnen, so zerronnen, “mein Ruin ist was mir bleibt, wenn alles andere sich zerstäubt, wie eine Welle die mich trägt und mich dann unter sich begräbt”…
- Im Roman lautet der Tod und Gefägnis, das ende der Freiheit als ihre einzig noch denkbare Möglichkeit.
- Das ist aber ein wichtiger Punkt für das Zusammentreffen dieser unterschiedlichen und doch speziellen Menschen in dieser Konstellation und Thematik.
- • Ernst Bumm (1858–1925) habilitierte sich 1885 in Würzburg für Geburtshilfe und Gynäkologie und wurde 1904 nach Berlin berufen, wo er die Leitung der Universitätsfrauenklinik der Charité übernahm.
- Ein riesiger Rugbyspieler gibt den nach erotischen Abenteuern gierenden Engländer gleichen Namens, der sich auf alles was noch einen Rock trägt mit eindeutiger Pose stürzt.
Dann sehen wir einen Mann im Schutzanzug mit Schutzmaske durch das Watt laufen und am Horizont verschwinden. In nächsten Moment kommt er in den Theatersaal und das Spiel beginnt. Im weiteren Verlauf erzählt der einzig Überlebende, Ismael (beeindruckend gespielt von René Rollin), die Geschichte von Moby Dick dem Schriftsteller Hermann Melville. Kapitän Ahabs Jagd (schauspielerisch beeindruckend verkörpert von Reiner Schleberger) auf den weißen Wal steht im Widerspruch zu den materiellen Interessen (Gewinn- und Profitgier) der Mannschaft und Schiffseigner. In solchen Szenen werden bewusst aktuelle Bezüge gesucht, wie z.B. Die heutige Gesellschaft von Gewinn- und Profitgier getrieben wird.
Die Prinzessin Ohne Namen
Er informiert nicht nur, sondern unterhält auch glänzend. Schon 2018 thematisierte das HAU die Probleme von Gentrifizierung und Entmietung im „Oratorium“ von She She Pop. Annette Gröschners Text über ihre Erfahrungen im Prenzlauer Berg waren das Herzstück eines Abends, der zwar zum Theatertreffen eingeladen struggle, aber zu viele Facetten der wachsenden sozialen Ungleichheit zu unfokussiert bearbeiten wollte. Keineswegs larmoyant, sondern für ihre seventy eight Jahre erstaunlich energiegeladen legt Jutta Wachowiak ein Solo hin, das vor allem für Zeitzeugen interessant ist, die miterlebt haben, worüber sie sprach. Für ein jüngeres Publikum ist es schwieriger, ihre Erinnerungen in den jeweiligen Kontext einzuordnen.
Auf der Video-Leinwand erleben wir beispielsweise Vietzke und Gräser, wie sie ein junges Paar Anfang 20 spielen, das voller Stolz auf die eigene Wohnung die Parolen des Arbeiter- und Bauern-Staates nachbetet, aber schon bei ersten zaghaften Nachfragen der Interviewerin rat- und sprachlos wird. Burleskes, Skurriles, Groteskes und Absurdes sind tragende Elemente der hier kommentierten Komödie, sind Aspekte, die sowohl den Verlust wie auch die Notwendigkeit von Vernunft und Aufklärung – auf Letzter es wurde soeben hingewiesen – aufzeigen. Sie werden alle – so ließe sich abschließend konstatieren – den Anforderungen, die sich mit ihrer Rollenwahrnehmung jeweils verbinden, in bester Weise gerecht und vom Publikum mit entsprechendem Beifall bedacht. Dem gegenüber stellt die Regisseurin am Beginn des Abends noch während des Einlasses, kaum bemerkt vom Publikum, Versfragmente aus der Offenbarung des Johannes über die apokalyptischen Reiter in Dauerschleife. Zu einer Art Apokalypse entwickelt sich schließlich auch die ganze Party. Und so sind die folgenden Gespräche lose mit den Schlagworten Hunger, Krieg, Krankheit und Tod überschrieben.
Fritz Langs erster Tonfilm aus dem Jahr 1931, bevor er vor den Nazis ins Exil nach Hollywood floh, ist ein Genre-Patchwork. Es beginnt ganz harmlos – vor allem für heutige Sehgewohnheiten – auch recht schleppend als Sozialdrama in Berliner Mietshäusern. Bei den Gästen aus Magdeburg wird daraus ein lustiger Mix mehrerer ostdeutscher Dialekte zwischen Berlinerisch und Sächsisch. Im Lauf der knapp zwei Stunden schält sich bei Lang eine Detektivgeschichte heraus, die mit sehr gekonnt montierten Parallelsequenzen den Spannungssog eines Thrillers aufbot. Dem pädophilen Serienmörder M sind sowohl die Polizei als auch die Syndikate der Unterwelt auf der Spur, die durch verstärkte Razzien in ihren Geschäften gestört werden und ein Bündnis mit den Obdachlosen schließen. Hier hätte diese Studio-Produktion des Schauspiels Dortmund eigentlich enden können.
Auch mehr als fünf Jahre nach der Premiere sorgen die Dämonen mit ihren zugespitzten Dialogen für viel Gelächter, ein volles Haus an der Schaubühne und langen Applaus. Frank und Katarina können nicht mit-, aber auch nicht ohneeinander. Demütigen und demütigen lassen ist das Prinzip ihres Aneinander-Vorbei-Lebens. Ursina Lardi (Schaubühne) und Lilith Stangenberg (Volksbühne) in Christoph Hochhäuslers Polit-Thriller “Die Lügen der Sieger” im Kino.
Aber diesen “Villa Aurora”-Abend können wir uns bisher leider nur in unserer Vorstellung ausmalen. Wittenbrink entschied, dass er sich stattdessen viel lieber einem ganz anderen Thema widmen möchte, das ihn seit langer Zeit beschäftigt. Wie in Kornél Mundruczós Theaterarbeiten, die am Hamburger Thalia oder beim “Leaving isn’t an Option”-Festival im März 2014 am Berliner HAU zu sehen waren, treiben ihn auch in seinem Kinofilm “Underdog” die politischen Entwicklungen in Ungarn um. Thomas Ostermeiers Inszenierung von Lars Noréns “Dämonen” ist eine gutgeölte Ehehöllen-Groteske, die manchmal etwas plakativ und zotig daherkommt, aber ansonsten treffsicher die Leiden von Paarbeziehungen aufspießt.